Mein Ostpreußen

WENN DU REISEN WILLST, MUSST DU DIE GESCHICHTE

DIESES LANDES KENNEN UND LIEBEN.

Theodor Fontane

Nie hat mich ein Lied so berührt und eine Sehnsucht in mir geweckt wie das „Ostpreußenlied“. Eine Sehnsucht nach diesem Land mit seiner Weite, den wogenden Getreidefeldern, den Pferden auf saftig grünen Wiesen, den Wäldern mit ihren wilden Tieren, den langen Alleen mit ihren uralten Bäumen, den allgegenwärtigen Störchen und der vielen Seen, in denen sich der Himmel mit seinen unglaublichen Wolkenformationen wiederspiegelt.

Eine Sehnsucht nach einem Land mit großer Geschichte und unendlich interessanten Geschichten – erlebt, erzählt, gehört, gesehen, gelesen.

Eine Sehnsucht nach einem Land, dass Menschen mit bedeutenden Namen hervorbrachte. Menschen, die dieses Land prägten und gestalteten. Menschen, die durch harte Arbeit dieses Land formten zu einem Land mit einem bis heute klang- und bedeutungsvollen Namen - Ostpreußen.

An all die Menschen, die dieses Land mit schwerem Herzen verlassen mussten und damit ihre Heimat unwiederbringlich verloren, die nach Flucht und Vertreibung nur wenige offene Arme in der Fremde vorfanden, die sich in ihrem neuen Leben zurechtfinden mussten und von vorn begannen, möchte ich mit meinen Bildern erinnern.

Besonders die Gutshäuser und Schlösser selbst zum Teil deren Ruinen strahlen für mich bis heute einen Hauch der vergangenen Zeit aus und führen mich auf Spuren, die es zu entdecken und fotografisch zu bewahren gilt.

Oma Mia, Tante Ursel und all ihr anderen, eure Sehnsucht nach der alten Heimat und die Trauer um all das Verlorene kann ich verstehen. Es tut mir leid.


Architektur und Geschichte interessieren mich schon seit jeher. Das eine spiegelt das andere wieder. Beides steht im engen Zusammenhang. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich ein altes Gutshaus entdecke, das ein Dorfbild prägt, wie es sonst nur eine Kirche tut. Ein Haus, das für die früheren Einwohner selbst eines kleineren Dorfes nicht einfach nur das Gutshaus war, sondern von ihnen auch als Schloss bezeichnet wurde. Ein Haus, das oft schon äußerlich spannende Geschichten schreibt.

Während meines Sommerurlaubs 2018 in Masuren fiel mir das Buch „Schlösser und Gutshäuser im ehemaligen Ostpreußen“ von Malgorzata Jackiewicz-Garniec (Erstausgabe 2001) in die Hände. Schon beim Durchblättern der Seiten war die Neugier geweckt. Es entstand die Idee, den Spuren zu folgen. Seitdem führt uns das Buch auf teils recht abenteuerlichen Wegen zu den verschiedenen Orten in Ermland-Masuren. Und jedes Mal stehen die Fragen im Raum: Wie kommen wir dorthin? Sieht das Gutshaus oder Schloss noch so aus wie auf dem Bild? Welche anderen Anwesen warten außerdem darauf, von uns entdeckt zu werden?

Allein die Fahrt dorthin ist oftmals Spannung pur. Es gibt Orte, die recht leicht über Landstraßen und Alleen zu erreichen sind. Und da gibt es die Orte, die irgendwo im Nirgendwo liegen. Weitab und nur über Wege zu erreichen, die sowohl dem Auto als auch dem Fahrer alles abverlangen. Da kann die Fahrt auch schon mal unmittelbar an der Grenze zu Nordostpreußen enden. Auf Wegen, für deren Zustand bereits Schritttempo zu schnell ist.

Unterwegs werden dann schon Überlegungen angestellt, wie sich das Gutshaus oder Schloss uns präsentiert. Wie auf den Bildern im Buch? Steht es in voller Pracht vor uns? Oder verfallen? Und oft sind wir überrascht, weil statt einer erwarteten Ruine ein Gebäude in seiner vollen Schönheit wieder auferstanden ist. Oder ein vor einigen Jahren äußerlich noch recht ansehnliches Gebäude plötzlich in Trümmern vor uns liegt. Steht es einsam und verlassen? Oder pulsiert das Leben in den alten Mauern? Manchmal kommen wir auch ins Gespräch mit den Bewohnern. Äußern diese den Wunsch, dass ihr Haus nicht fotografiert wird, akzeptieren wir dies natürlich.

Auf all den Entdeckungstouren begleitet mich mein Mann. Als Fahrer mit starken Nerven, der mutig seine Fahrkünste auch auf eigentlich unbefahrbaren Wegen beweist. Als Begleiter auf unbekanntem Gelände. Immer geduldig, bis das letzte Foto im Kasten ist. Ulli, ich danke dir.


Die Angaben der Entfernungen zwischen den Orten beziehen sich auf die kürzeste Fahrstrecke mit dem Auto.

Alte Ansichtskarten und Fotos entstammen meiner eigenen Sammlung.


Es dauert noch für viele Gutshäuser und Herrenhäuser, bis sie auf diesen Seiten vorgestellt werden.  Sie sind entweder schon fotografiert und warten auf ihre Beschreibung. Oder sie müssen bis zu den nächsten Sommerurlauben warten, um entdeckt, fotografiert und beschrieben zu werden. Mein Projekt ist erst zu Ende, wenn ich so vielen Häusern wie möglich ein Gesicht geben konnte, um an sie und ihre Geschichte(n) zu erinnern.